Agatha Wojciechowsky

1896 - 1986

  • Andrus, 1953, Bleistift, Kohle auf Papier, 35 x 28 cm
  • ohne Titel, 1953, Bleistift auf Papier, 35 x 28 cm
  • Ohne Titel, Bleistift auf Papier, 35 x 28 cm
  • ohne Titel, 1953, Bleistift auf Papier, 34,3 x 24,9 cm
  • ohne Titel, 1969, Bleistift auf Papier, 30 x 23 cm
  • ohne Titel, 1954, Buntstift, Bleistift auf Papier, 30,2 x 22 cm
  • ohne Titel, 1952, Bleistift auf Papier, 30,2 x 22,5 cm
  • ohne Titel, 1960, Bleistift auf Papier, 30 x 23 cm
  • ohne Titel, 1953, Bleistift auf Papier, 30 x 22,5 cm
  • ohne Titel, 1965, Federzeichnung auf Papier, 19 x 12,4 cm
  • ohne Titel, Bleistift auf Papier, 30,5 x 23 cm
  • ohne Titel, Federzeichnung auf Papier, 35 x 28 cm
  • ohne Titel, Federzeichnung auf Papier, 14 x 19,8 cm
  • ohne Titel, Federzeichnung auf Papier, 30 x 22,5 cm
  • ohne Titel, 1953, Bleistift auf Papier, 25,3 x 19,8 cm

Geboren 1896 in Steinach / Deutschland. Nach eigenen Aussagen hat sie bereits im Alter von vier Jahren erste Visionen. 1923 wandert sie in die USA aus und arbeitet dort als Dienstmädchen, Näherin, Wäscherin und Küchengehilfin in verschiedenen Hotels. Sie heiratet und bekommt zwei Kinder. Ihr erscheint Mona, das Indianermädchen, und sie beginnt zu zeichnen, was Mona ihr vorgibt. „Nehme einen kleinen Bleistift und befestige ihn dann und lege ihn auf ein Blatt Papier und sehe was kommt. Sofort ist es gegangen. Und dann hat es immer nur gezeichnet so – oder so – für lange Zeit.“ So beschreibt Agatha Wojchiechowsky den Beginn ihrer künstlerischen Tätigkeit. Nach dem zweiten Weltkrieg arbeitet sie als Medium, gelangt zu einem hohen Bekanntheitsgrad und nimmt Heilungen vor. Ab dem Jahr 1951 entstehen zahlreiche Zeichnungen und Aquarelle, die sie meist mit geschlossenen Augen und immer in Kontakt mit den unsichtbaren Mächten ausführt. Sie arbeitet mit Kohlestift, Tusche oder Feder. Ihre Arbeiten sind Mittler zwischen den Welten. Immer wieder tauchen abstrakte Formen und graphische Zeichen, sowie unzählige geisterhafte Gesichter auf, die das ganze Blatt ausfüllen. Wie Traumgestalten erscheinen sie dunkel, schemenhaft, rätselhaft verwoben. Diese lassen den Betrachter jene zweite Welt entdecken und wirken in ihrem geschlossenen Zustand fast meditativ und in sich ruhend. Im Jahr 1961 wird ihr die Priesterwürde der Universal Spiritist Association of USA verliehen. Agatha Wojchiechowsky macht viele ausgedehnte Reisen um die ganzen Welt, bevor sie in New York sesshaft wird. Dort hat sie in den 60er Jahren ihre ersten Einzelausstellungen in der Galerie Cordier und Ekström. Außerdem werden ihre Arbeiten in der Galerie Zwirner in Köln, der Galerie Springer in Berlin und auf verschiedenen Ausstellungen der L´Art Brut gezeigt. Bilder und Zeichnungen befinden sich im Museum of Modern Art N.Y., im Larry Aldrich Museum, Connecticut und im Art Institute of Chicago sowie in einer Reihe von Museen und Privatsammlungen Europas und den USA. Agatha Wojchiechowsky stirbt 1986 in den USA.

Einsamkeit und Witz
Agatha Wojchiechowsky hat eine große Zahl von Zeichnungen und Aquarellen hinterlassen. Sie hat Zeit ihres Lebens an spiritistischen Sitzungen teilgenommen, und so wie sie dabei in Kontakt mit den unsichtbaren Strömen der Wirklichkeit getreten ist, sollen auch die meisten ihrer Zeichnungen entstanden sein, mit geschlossenen Augen aufs Papier gebracht, im Blindflug sozusagen, der Kohle- oder Bleistift von unsichtbaren Mächten geführt, mal hastig, mal vorsichtig tastend, und immer ein bisschen ungelenk.

Viel mehr ist von der Künstlerin nicht bekannt. Die meisten der Zeichnungen, die sie hinterlassen hat, sind in den Fünfziger Jahren bis zum Ende der Sechziger Jahre datiert. Und schließlich weiß man noch, dass Agatha Wojchiechowsky eine Weile in den USA gelebt hat.

Doch muss man etwas wissen aus dem Leben der Künstlerin, um Bilder zu verstehen, die wie die Gestalten nächtlicher Träume vor Augen treten: dunkel, schemenhaft, in rätselhafter Verwirrung. Unzählige Menschenfiguren sind in den Kompositionen miteinander verwoben, kleben aneinander und gehen auseinander hervor wie die unerschöpflichen genauen und ungenauen Bilder der Erinnerung. Verstohlene Gesichter wachsen wie unheimliche Fratzen aus den verschlungenen Szenerien heraus - verloren, verzweifelt oder heiter, in den vielfachen Facetten einer Verwandlung, die ein Gesicht untrennbar mit allen anderen verbindet. Darin starren die Augen der Toten auf die Lebendigen, indem diese sich in ihrer zukünftigen Vergangenheit erkennen.

Häufig werden die Figuren zusammengehalten von einer Grundgestalt, die wie ein Fels aussieht. Wo sie mit Kohle gezeichnet hat, ist das Verschwommene, ungenau im Prozess des Erinnerns (oder bei der "Kontaktaufnahme" des Mediums), das Charakteristische. Wo sie mit Tusche und Feder arbeitete, bestimmt der Schwung der unruhigen Linie, die in einer unaufhörlichen Bewegtheit sich selber sucht, die Bild-Erfahrung. So wird nachvollziehbar wie sich ein Strich als Folge auf einen anderen allmählich zu Gestalten entwickelt, die etwas sichtbar machen, von dem man zuvor nicht wusste, dass es überhaupt in einem steckte. Genau das ist auch der Zauber, der von einem „Medium“ ausgeht, das den Kontakt zu den Toten einer Vergangenheit aufzunehmen imstande ist, die in uns allen wirksam ist.

Schon die Surrealisten suchten in ihren automatischen Zeichnungen die Nähe zu außersinnlichen Wahrnehmungen und physikalisch unerklärbaren, seelischen Wirkungen. Und während die kuriosen Stimmen und Zeichen der „Medien“ und Hellseher ihre Faszination vor allem darüber beziehen, dass sie sich sogleich wieder entziehen, zeigen Zeichnungen wie die von Agatha Wojchiechowsky schwarz auf weiß, wie es mit viel Fingerspitzengefühl und auf verschlungenen Pfaden möglich ist, längst vergessene und nie bewusste Regungen aus den verborgenen Gefilden unseres Seelischen ins taghelle Wachbewusstsein zu holen.

Jürgen Kisters